CUIIViele Netzsperren wirken länger als erlaubt

Der 17-jährige Damian hat nachgewiesen, dass deutsche Internetprovider zahlreiche Websites viel länger sperren, als sie dürfen. Dabei müssen die Provider eigentlich regelmäßig prüfen, ob eine Netzsperre noch berechtigt ist. Besonders fragwürdig ist die Sperrung einer Seite, die erklärt, wie man die Sperren umgeht.

Ein Mensch sitzt vor vielen Bildschirmen, auf denen Vorhängeschlössr abgebildet sind
Damian bei der Analyse der gesperrten Websites. Symbolbild. – Public Domain Midjourney

Es war damals der erste Fall für Deutschlands neue private Internetsperr-Agentur. Im Februar 2021 beschloss die Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII), eine Allianz aus Internetprovidern und Rechteinhabern, ihren Mitgliedern zu empfehlen, S.to zu sperren. Die Seite macht bis heute urheberrechtlich geschützte Serien kostenlos zugänglich.

Um die Nutzung des Angebotes weiterhin auch Menschen zu ermöglichen, die die DNS-Sperre nicht umgehen können oder wollen, etablierten die Betreiber*innen zahlreiche Alternativdomains. Diese wurden von der CUII ohne erneuten Beschluss gesperrt. Eine dieser Seiten ist Serien.sx.

Irgendwann zwischen 5. März und 12. April 2022 haben die Urheberrechts-Piraten, wie netzpolitik.org auf Archive.org nachvollziehen konnte, Serien.sx aufgegeben. Die Seite geht offline und leitet auf Serien.domains weiter. Dort verlinken die Betreiber*innen die nicht sperrbare IP-Adresse ihres Angebots.

Website zwei Jahre lang unrechtmäßig blockiert

Spätestens ab dem 14. Mai steht dort zudem eine Anleitung, wie man Netzsperren umgeht. Die Seite Serien.domains wird in Deutschland nicht gesperrt.

Das heißt, spätestens seit dem 12. April 2022 ist die Sperrung von Serien.sx, die auf Serien.domains verweist, offensichtlich unrechtmäßig. Gesperrt werden dürfen nur Websites, deren Inhalt strukturell urheberrechtsverletzend ist, so der Verhaltenskodex der CUII und auch deren Verabredung mit der Bundesnetzagentur.

Damian, nach eigenen Angaben ein 17-jähriger Schüler, fragte Ende August dieses Jahres bei der CUII nach der Rechtsgrundlage der Sperrung von Serien.sx. Eine Antwort bekam er nicht. 13 Tage später wurde aber Serien.sx vom ersten Provider von der Sperre befreit, noch einmal vier Tage später vom zweiten, am Tag danach von Nummer drei. Damian sagt gegenüber netzpolitik.org:

Damit ist bestätigt, dass die CUII nicht im Recht war, diese Domain zu sperren, und diese dennoch für über zwei Jahre gesperrt blieb.

Weitreichender Eingriff in die Informationsfreiheit

Eine DNS-Sperre ist ein weitreichender Eingriff in die Informationsfreiheit, deshalb müssen die Internetprovider, die solche Sperren einrichten, ein regelmäßiges Monitoring betreiben, das sicherstellt, dass die Sperrvoraussetzung – die strukturelle Urheberrechtsverletzung – weiterhin vorliegt, so lange gesperrt wird. Das schreibt sowohl der Verhaltenskodex als auch die Bundesnetzagentur vor. Doch das Monitoring ist, so es denn überhaupt stattfindet, offenbar unzureichend. Aus den Augen, aus dem Sinn, so scheint es.

Jan Bernd Nordemann, Vorsitzender des Steuerungskreises der CUII, schreibt auf Anfrage von netzpolitik.org, dass CUII-Rechteinhaber, die DNS-Sperren für strukturell urheberrechtsverletzende Webseiten veranlasst haben, verpflichtet seien, mit geeigneten Maßnahmen zu überwachen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine DNS-Sperre der betreffenden Domains weiter vorliegen. „Ergibt dieses Monitoring, dass die Voraussetzungen für eine Sperre nicht mehr vorliegen, teilen die betreffenden CUII-Rechteinhaber der CUII-Geschäftsstelle mit, dass die DNS-Sperre entfallen kann. Die CUII-Geschäftsstelle unterrichtet wiederum unverzüglich die CUII-Zugangsanbieter, damit sie die DNS-Sperre aufheben“, schreibt er weiter.

Bis heute seien für über 130 Domains eingerichtete DNS-Sperren auf Initiative von CUII-Rechteinhabern wieder aufgehoben worden, weil die Domains nicht mehr für das kriminelle Geschäftsmodell genutzt würden. „In allen Fällen erfolgte die Aufhebung der DNS-Sperren durch die CUII-Zugangsanbieter unverzüglich und fehlerfrei.“

Damian hat jedoch zahlreiche weitere Seiten gefunden, die von der CUII schon seit über einem Jahr zu Unrecht gesperrt werden. Burningseries.tw hat seit mindestens dem 29. Juli 2023 als einzigen Seiteninhalt ein Banner: „Buy this Domain“. Newalbumreleases.unblockit.dev wird mindestens seit dem 8. Dezember 2022 nicht mehr genutzt, Newalbumreleases.unblockit.onl mindestens seit dem 9. Februar 2023. Und es gibt noch viele weitere Fälle gesperrter Websites, in denen die Sperre bereits seit Monaten obsolet ist.

Ein Drittel der Domains zu Unrecht gesperrt

„Das stellt die Kompetenz der CUII klar in Frage“, sagt Damian. Der 17-jährige Schüler hat auf seiner Seite cuiiliste.de eine Anleitung zur Umgehung von Netzsperren online gestellt, ähnlich wie die Seite Serien.domain, daneben eine Liste der in Deutschland wegen Urheberrechtsverletzungen gesperrten Websites. Wir haben im August bereits darüber berichtet, wie sich Damian mit der Unterhaltungsindustrie anlegt.

Damian ist nun alle Websites aus der Liste auf seiner Seite einzeln durchgegangen und hat nachgeschaut, ob noch Urheberrechtsverletzungen auf der Domain stattfinden. Mit Stand 23. August waren 41 von 122 von der CUII gesperrten Domains nicht mehr erreichbar oder leiteten die Anfrage auf Websites um, die nicht von CUII-Sperren betroffen sind, so Damian. Ziemlich genau ein Drittel der Domains wäre demnach zu Unrecht gesperrt.

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6 Ergänzungen

  1. Danke an Barbra Streisand für den nach ihr benannten Effekt und danke an die Frau, die von der durch Nepotimus begünstigten Tochter eines Ministerpräsidenten zur EU-Kommissionspräsidentin hochgestümpert worden ist und damit ein gutes Beispiel dafür abgibt, dass nicht nur Männer dem Peter-Prinzip unterliegen: Ursula von der Leyen.

    Ohne Uschis „Stoppschilder gegen Kinderpornographie“ (Ein Kabarettist wies damals darauf hin, dass man an einem Stoppschild nicht umdreht, sondern anhält, links und rechts guckt und weiterfährt wenn keiner kommt.) gäbe es nie im Leben derart viele Tutorials im deutschsprachigen Teil des Internet, die einem erklären, wie man den DNS-Server umstellt.

    Aber solange die CUII und die Politik an sich für Zensur weiterhin auf den Deppentest namens „DNS-Sperren“ vertrauen können wir uns glücklich schätzen.

  2. Mal eine Frage:
    Wenn es eine Seite nicht mehr gibt, warum sollte man dan die Sperre für die nicht mehr vorhandene Seite aufheben?

    Bös‘ gezwinckert könnte man meinen, dass jemand über diese Seite gerne wieder etwas böses machen möchte, oder sehe ich das falsch.

    Wenn eine Brücke wegen Gefährdung des Verkehrs abgereissen und eine Sperre aufgebaut wird, damit man dort nicht mehr hineinfährt, warum sollte man nicht die Sperre aufrecht erhalten? Die Sperre entfernen und dumme Anwender wieder auf die Reste der Brücke fahren lassen?

    Der Drang, Domains, die aus irgendwelchen nationalen oder internationalen Rechtsverstößen auf der Welt gesperrt wurden und nun nicht mehr existieren wieder frei zugeben, lösen in mir innerlich Fragen nach den Hintergründen des jungen Mannes nach der Aufhebung dieser Sperren aus.

    1. > Wenn eine Brücke wegen Gefährdung des Verkehrs abgereissen und eine Sperre aufgebaut wird, damit man dort nicht mehr hineinfährt, warum sollte man nicht die Sperre aufrecht erhalten? Die Sperre entfernen und dumme Anwender wieder auf die Reste der Brücke fahren lassen?

      Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.

      > Der Drang, Domains, die aus irgendwelchen nationalen oder internationalen Rechtsverstößen auf der Welt gesperrt wurden und nun nicht mehr existieren wieder frei zugeben, lösen in mir innerlich Fragen nach den Hintergründen des jungen Mannes nach der Aufhebung dieser Sperren aus.

      „Wer nichts zu verbergen hat…“ – was sind wir heute kreativ.

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